Ex-Calibur und die Iren

Ich liebe Irland!
Und ich war natürlich auch schon mal dort. Es waren ganz unglaublich schöne Wochen. Na gut. Der Wahrheit die Ehre, es waren für mich unglaublich schöne Wochen. Für meine irischen Freunde, die mich eingeladen hatten, war es wohl irgendwie nicht so unglaublich schön.
Iren sind liebenswerte Menschen. Mit einer wahren Engels-Geduld. Das glauben Sie nicht? Weil Iren eher als ziemlich barsche Gesellen verschrien sind? Na, da kann ich nur drauf erwidern, dass meine Freunde zwar ein wenig verstört, im Großen und Ganzen aber recht gelassen auf meine Reisevorbereitungen reagiert haben.
Gut. Mein erster Wunsch nach einer Mord-Statistik der letzen 40 Jahre hat sie schon ein wenig verblüfft. Weil, wie mir alle ernsthaft versicherten, ein Pferde-Diebstahl das Aufregendste gewesen sei, was in ihrem Käffchen nahe der Stadt Bailieborough in den letzten paar hundert Jahren passiert war.
Mein misstrauisches Gesicht nahmen sie ebenso gelassen hin wie meine unverhohlenen Fragen nach Bomben, nächtlichen Rumschleichern und religiösen Fanatikern, die es – ganz klar – vor allem auf dumm durch die grünen Hügel stolpernde Touris abgesehen hätten.
Nein, versicherten sie mir so beharrlich wie langmütig, bei ihnen wäre noch nie was explodiert außer vor ein paar Jahren der Heißwasser-Boiler des alten O'Lally. Oder war’s O’Bally? Na egal, jedenfalls hätte noch keiner einen Touristen abgemurkst, auch wenn dem einen oder anderen gelegentlich mal nach wäre.
Dermaßen beruhigt, begann ich – kaum angekommen – dumm über die grünen Hügel zu stolpern, jedes weiße Pferd in der Ferne als Einhorn zu verdächtigen und unter jedem Busch den Eingang nach Avalon zu suchen. Denn egal wo andere diesen Eingang vermuten, war mir beim ersten Anblick klar geworden, dass er hier sein musste. Hier und nirgendwo anderes. Ach, und dass ich mit lauter kleinen Bötchen über dutzende Seen gurkte um nach Excalibur Ausschau zu halten, versteht sich ja von selbst. Nicht wahr.
Und wenn meine entnervten Gastgeber mal wieder stundenlang durch die Botanik gewandert waren, einmal sogar mit höchst-staatlicher Unterstützung des Dorf-Polizisten, um mich aus irgendwelchen Büschen, Hainen oder Sümpfen zu ziehen, verging ihnen – wie sie mir Jahre später gestanden – gewöhnlich auf der Stelle der dringliche Wunsch mir den verblödeten Hals umzudrehen, sobald sie mein Schafs-dummes, glückliches Gesicht aus einem Haufen bunter Gewächse auftauchen sahen.
Meist trotteten wir danach in den örtlichen Pub, wo ich nach einem kurzen Weilchen schon wieder in Lebensgefahr schwebte, weil ich so andauernd wie stupide die Alkohol-Freudigkeit der Dorfbewohner pries.
Die sich – das weiß ich heute – nichts als den Frust von der Seele soffen, drei Wochen lang im Umkreis von gut 20 Meilen in jeder Grube, jedem verfallenen Gehöft und jedem Ding, auf das man klettern konnte (aber ganz sicher nicht sollte) nach einem in ihren Augen geistesgestörten Voll-Trottel stöbern zu müssen.
Wie gesagt.
Ich liebe Irland. Und die Iren. Und ihre Musik. Ihre Landschaft. Ihre Art. Ihren Alkohol nicht so. Aber ihre schon etwas raue Art. Ihre versponnenen Geschichten. Und King Artus, habe ich mir immer gerne vorgestellt, kommt zurück wenn die Zeiten ganz schlimm werden.
Die Zeiten sind schlimmer geworden.
Aber nur weil das irische Wirtschafts-Wunder zusammen gekracht ist und der schlafende König die Notwendigkeit nicht einsehen will wegen krimineller Bank-Insolvenzen aus dem See aufzutauchen, haben die stets widerborstigen Iren ganz gegen ihre Art Excalibur still und schnell und endgültig gegen den Bürokratie-Euro eingetauscht?
Weil es sich gemeinsam besser jammern lässt?
Ach, Irland!

NoXxLynXx - 3. Okt, 19:19