Geboren um zu leben!

Ich habe doch neulich über dieses Parade-Beispiel fürs Fremdschämen geschrieben, Herrn Naidoos Bollywood-Video 'Alles kann besser werden' mit den hüpfenden Trotteln, der grell-bunten Schlag-Tot-Symbolik und dem selten peinlichen Walldorf-Text, dessen Kitsch- und Klischee-Faktor tatsächlich schon jenseits jedes Denkbaren rumeiert.
Zu seiner Entschuldigung hätte man anbringen können, dass es ja immer eine bedenkliche Gradwanderung ist (die meistens in der Kwark-Hose landet) über den Sinn des Lebens zu reimen. Kommt dann noch eine geballte Ladung vibrierend schluchzend vorgetragener Pseudo-Betroffenheit zu, die vorm inneren Auge des gepeinigten Betrachters beziehungsweise Zuhörers einen Haufen Kerzen schwenkender Deppen auferstehen lässt, ist die Schmerz-Grenze meist um Meilen überschritten.
Wie Man(n) es doch machen kann, zeigt nun Unheilig.
Mit seinem Lied „Geboren um zu leben!“
Ich weiß nicht so recht, was ich über den Text sagen soll.
Er hat mich angerührt, mich traurig gemacht und gleichzeitig beinahe ein Bisschen zuversichtlich. Das bei mir zu erreichen, ist fast ein Wunder. Keinen winzigen Augenblick war mir peinlich oder unwohl zumute. Dabei, das gebe ich gern zu, war ich über die Gestik des Sängers zuerst äh leicht verwundert. Tatsächlich dachte ich irgendwas in der Art wie: Oje! Schon wieder so einer.
Aber da hatte mich das Lied schon voll erwischt.
Und ganz plötzlich passte alles.
Sogar die fast an Pantomime gemahnenden Gesten.
Je länger ich zuhörte und schaute, schienen auch die Bewegungen eine Geschichte zu erzählen. Oder die Geschichte ganz eindrucksvoll zu untermalen, die ICH sah, während ich mir das Video anschaute.
Ja!
Das Video. Das ein so außergewöhnliches Kunststück fertigbringt, wie ich es selten erlebt habe. Eigentlich erzählt es nur eine kleine Geschichte. Sehr ruhig, sehr leise und in ganz unaufdringlich blassen Farben. Wie gesagt. Eine - auf den ersten Blick - gut gemachte kleine Geschichte. Nichts weniger. Aber sehr viel mehr. Denn während ich zuschaute und zuhörte, wurden die Bilder immer nebelhafter, bis ich am Ende eine schon vergessene Episode aus meiner Vergangenheit sah.
Ich denke mal, ich brauche nicht meine übliche Neugier zu befriedigen und andere zu fragen. Denn ich bin fest überzeugt, dass die meisten genauso fühlen. Wie ich. Wenn sie sich an ihren einen Augenblick erinnern. Und zu Graf von Unheiligs Worten einen Luftsprung machen wollen, nur weil sie sich erinnert haben.
Mein bester Graf!
Sie sind ein singender Hypnotiseur der Extraklasse.
Ein träumender Poet.
Wofür ich hiermit danke!

NoXxLynXx - 6. Feb, 19:19