Warum blogge ich?

Schwierige Frage.
Und wird von Tag zu Tag schwieriger.
Klar. Ich leide unter demselben Schwatz- und Mitteilungs-Bedürfnis wie anscheinend der Rest der Welt. Ich will meine Meinung verbreiten, Recht behalten und so vielen wie möglich klarmachen, wie dämlich sie sind. Im Gegenteil zu mir, selbstredend.
Und ab und zu habe ich einen Wutanfall (man könnte fast sagen, ich bin das cholerische Äquivalent eines Quartals-Säufers) und den so richtig auszuleben, was – wie wir seit den bekloppten Psycho-Heinis alle genau zu wissen glauben – nur gut für ein ausgewogenes Innenleben sein kann, war vor meiner aktiven Spaß-Net-Zeit immer ein bisschen heikel.
Ja, wirklich. Virtuelle Schlachtfelder mit dahin gemeuchelten Avataren sind das eine. Vor allem, wenn's Elfen oder Engel sind. Im realen Leben hat(ten) solcherlei Schlachten meist recht unerfreuliche Folgen. Die auch schon mal zeitlich dauern konnten. Und selbst eher soziopathisch veranlagten Charakteren das eine oder andere Schuld-Gefühlchen eintragen können.
Außerdem, so erbaulich es sein mag, wildfremden Menschen (zum Beispiel in der S-Bahn, im Restaurant etc.) unaufgefordert zu erzählen, dass Frau Merkel gar kein Mensch, sondern womöglich ein chinesischer Roboter ist, der uns alle vernichten soll (was bisher nur nicht geklappt hat, weil das Dings aus dem dort landes-üblichen Müll-Material gebaut wurde) und dass eine Menge Leute im Moment für ein Forschungs-Projekt sammeln, das in Guido Westerwelles Kopf ein Gehirn suchen soll, muss man sich irgendwann doch eingestehen, dass diese Menschen gelegentlich unerfreut reagieren.
Ein kleiner Tipp: Italienische Restaurants eignen sich besonders schlecht für ungebetene Reden zu heiklen und/oder öden Themen. Das kann Ihnen ein Zeuge Jehovas bestätigen, den ich einmal in einem solchen traf. Bedauerlicherweise mit einem Teller sehr schmackhafter Käse-Makkaroni.
Also, Sie sehen schon. Eigentlich sollte bloggen voll mein Ding sein.
Ich kann schwafeln was ich will, ohne mit unerwünschten Gegenständen oder anderen Fatalitäten nähere Bekanntschaft machen zu müssen. Und wenn doch, dann eben nur virtuell und ich kann auf der Stelle zurückschlagen. Ohne mein Essen zu gefährden.
Was ich allerdings nicht kann, ist zu übersehen, dass ein weitaus – nein, ein unglaublich weitaus – größerer Teil der Menschheit noch viel ekelerregender ist, als ich (ein misanthropischer Pessimist reinster Güte) in meiner Vor-Net-Zeit je vermutet hätte. Und das macht mir doch schon irgendwie zu schaffen.
Will ich also wirklich hier auf Twoday bloggen (oder sonst wo, denn es wird ja nirgendwo anders sein) wo sich ganze Haufen des widerlichsten menschlichen Mülls zusammen klumpt um ungeniert über (na, wie soll ich es nennen?) diese und jene Vorlieben zu diskutieren? Und ist das überhaupt eine legitime Frage und nicht schon der Anfang eines diktatorischen Zensur-Denkens, von dem ich mich bislang eigentlich frei wähnte?
Ich werde darüber nachdenken.
Und in meinem realen Leben noch einen Graben um meinen Turm bauen, so breit und tief wie ich nur kann und voller Piranhas. Und Krokodile. (Muss mal googlen, ob die sich gegenseitig auffressen).
Eins ist jedenfalls gewiss.
Seit ich im Net bin, ver-rumpelstilze ich jeden Tag ein bisschen mehr.
Und nehme – schon lange nicht mehr amüsiert – zur Kenntnis, dass ausgerechnet jene, die ich ohne zu zögern als widerliche Verbrecher bezeichnen würde – ganz besonders gern (um nicht zu sagen: Geradezu aufdringlich) unter jede noch so scheußliche Unerträglichkeit ihre Real-Namen pappen. Stets mit dem fröhlichen Hinweis, dass hierzulande dank der demokratischen Deppen noch Meinungsfreiheit herrscht. Die sie zumindest für sich und ihre Abarten auch erhalten sehen wollen.
Bin ich also ein Depp?
Helfe ich denen, die ich am liebsten…
Ich drehe mich im Kreis.

NoXxLynXx - 21. Feb, 19:19