Die schaurige Erkenntnis des unvermeidlichen Endes – Und ihre erstaunlichen Folgen / Teil2

Also da bin ich wieder.
Um Ihnen den extremst unwirklichem Zustand, in dem ich mich gestern Morgen wiederfand näher zu erläutern. Weil ich gestern ja geschrieben hatte: „Falls Sie morgen da sind, werden Sie es verstehen.“ Und so ein Satz wird gemeinhin als Verpflichtung bezeichnet.* Was schon deshalb blöde ist, weil sich das VORWORT gestern, wie übrigens alle Vorwörter, gummiartig über das ganze Universum ausgedehnt hat. Vorwörter neigen dazu, wenn man mal einen Moment nicht aufpasst.
*Eine Verpflichtung ist in den meisten Fällen ein übles, kleines, zusammengekauertes Nichts, das sich – aufdringlich nach oben schielend – an Ihre Fersen geheftet hat und in regelmäßigen Abständen droht, Sie bei weiterer Nichtbeachtung in die Wade zu beißen.**
**Nougat-Pralinen, ein bekwemes Sofa, ein spannendes Buch und vor allem ein verinnerlichtes, beinhartes Desinteresse an nervtötenden Kinkerlitzchen sind die natürlichen Feinde von Verpflichtungen!
Kommen wir also zügig zu gestern.
(Den Witz haben Sie jetzt aber begriffen.)
Als ich – kurz nach dem ich gefrühstückt hatte – aus reiner Sentimentalität*** beschloss, mal wieder meine alten, deutschen News durchzublättern. Woraufhin ich auf der Stelle in den vorgenannten extremst unwirklichen Zustand geriet. Oder anders ausgedrückt: Für einen ziemlich langen Moment befürchtete ich ernsthaft, während meiner Nachtruhe in ein alternatives Lila-Laune-Universum befördert worden zu sein.
***Lassen Sie sich das eine Lehre sein!
Auch Sentimentalitäten lauern stets darauf, Ihnen eins zu verpassen.
Kann ja sein, dass Sie sich das wünschen. So ein Universum, wo Sie bis in alle Ewigkeit in einem geblumten Kleidchen über eine Blumenwiese tanzen und Einhörnern Küsschen geben. Und sich natürlich alle so richtig doll liebhaben. Das liegt allerdings nur daran, weil Sie noch nie genauer darüber nachgedacht haben.
Mir jedenfalls ist der kalte Angstschweiß ausgebrochen, als ich las: „Milliardäre sind besorgt über die Folgen der Umwelt-Zerstörung und wollen ihr halbes Vermögen spenden!“ Und gleich darunter: „Regierung will die Renten-Garantie nicht antasten!“ Und weiter: „HarzIV-Sätze sollen erhöht werden!“
Konnte das sein?
War das überhaupt möglich?
Sahen diejenigen, die unser aller Ende wegen noch einer und noch einer Milliarde mehr auf dem Konto vermutlich längst herbeigeführt haben, plötzlich auch IHR Ende vor Augen? Und waren als Folge davon jählings einsichtig geworden? Rannten nicht mehr planlos ins Dunkle, sondern dachten vorher nach? Und drohte uns jetzt allen ein Hollywood-mäßiges Happy-End? Fielen mir draußen auf der Straße womöglich meine Nachbarn in die Arme um glcklich zu weinen? Weil das Leben so schön ist? Ich glaube, ungefähr da ist mir leicht schwindelig geworden.
Das es wie aus heiterem Himmel nunmehr zu viele unbesetzte Arbeitsplätze geben soll, die Energiekosten (dank des harten Durchgreifens unserer Regierung(!)) in Kürze fallen sollen und die Preise fortan so niedrig sind, dass uns das Zeugs im Supermarkt demnächst vermutlich geschenkt wird, ist – glaube ich – gar nicht mehr so richtig bei mir angekommen.
Weil eine kleine Stimme in meinem Kopf (fortwährend lauter werdend) ununterbrochen plärrte: Da bis du dran schuld! Da bist du dran Schuld! Da bist…..
Das mit der Stimme im Kopf ist übrigens einer der exemplarischsten Fälle weitverbreiteter Missverständnisse. Die meisten Menschen glauben nämlich, diese Stimme wäre ihr Gewissen. Was sie wiederum für so eine Art nebulöse Ober-Aufsicht im Gehirn halten, die immer dann eingreift, wenn sie was tun, was sie wollen, aber nicht sollen. Nach den Maßstäben des ‚Zivilisierten Benehmens’.
Das näher zu erläutern würde jeden Rahmen sprengen. Also belassen wir es doch dabei, dass da nicht etwa Ihr grundanständiges Gewissen zu Gunsten Ihres angeblich besseren Selbst interveniert, sondern Sie ganz einfach eins mit der Bratpfanne der harten Realität übergebraten bekommen haben. Was Sie dann die bewusste Stimme hören lässt. Sie wissen schon. So wie die Vögelchen, die in Trickfilmen immer um halb zerkwetschte Köpfe kreisen.
Bei mir war es ein Wunsch gewesen, der den späteren Einsatz der Bratpfanne der Realität auf meinem Kopf auslöste.****
Oder eher ein griesgrämiges Resümee, das ich dem Universum – nach mehrmaligen Angucken meines Schnipsel-Videos – auf meinem Balkon sitzend unbedingt hatte mitteilen müssen. „Warum“ hatte ich erbost ins Leere gerufen, „rennt die gesamte Menschheit wie in den blödesten Filmen und meistens auch noch dämlich lachend mitten rein ins Verderben? Die eine Hälfte der Erde ersäuft, die andere verbrennt, die Meere sind fast schon tote Kloaken und im Ozean ist kein Wasser mehr, sondern Öl! Und wen interessierts?“
Es überrascht Sie jetzt sicher nicht allzu sehr, wenn ich Ihnen verrate, dass mir niemand geantwortet hat. Ich hatte ja auch nicht wirklich damit gerechnet. (Na gut. Diese eine mickrige Gehirn-Zelle, die sich bei mir normalerweise am äußersten Rand versteckt, hat damit gerechnet. Immerhin habe ich davon nur eine. Ich kenne massenhaft Leute, deren ganzes Gehirn aus solchen besteht.) Also habe ich Niemand mitgeteilt, dass es mich mal kann und wenn es auch nur einen Rest Anstand besäße, mich in eine bessere Welt befördern würde.
Verstehen Sie jetzt?
Da war ich. Im Riesen-Häschen-Shirt (bisschen mit Ei bekleckert) eine Kaffee-Tasse in der Hand und starrte auf die Geld verschenkenden Milliardäre. Die ganz sicher nicht von dieser Welt sein konnten. Oder von der, auf der ich bisher gelebt hatte. Mir waberte noch irgendwas von Wünschen, die man lieber nicht erfüllt bekommen sollte durchs konfuse Gehirn, als mein Auge auf Herrn Gates etwas dümmliche Mimik fiel.
Das war meine Rettung!
Und wer hätte das gedacht?
Das mich ausgerechnet Herrn Gates Pfannkuchen-Gesicht auf den Boden der Normalität zurückholen würde? Voller Hoffnung schaltete ich auf meine internationalen News um. Ja! Und schon war die Welt wieder in Ordnung. Die eine Hälfte brannte immer noch, die andere Hälfte ersoff immer noch und das BP-Pack jubelte über die unglaubliche Leistung. Die es vollbracht hätte. In irgendwelchen arabischen Landen hatten die üblichen Spinner ein Hilfs-Team aus Ärzten und Schwestern ermordet, ein paar Bomben waren explodiert und die deutschen Milliardäre wiesen jedes Schenk-Ansinnen entrüstet von sich. Und der größte Teil der deutschen Kommunen ist immer noch pleite.
Ich war zuhause!
Hurra!
Und was habe ich nun daraus gelernt?
Erstens: Ich spreche nicht mehr ins Dunkle.
Zweitens: Sollte mir das Dunkel je antworten, hole ich sofort meinen größten Knüppel und renne so schnell ich kann. Ist mir egal, ob es mir drei Wünsche, eine bessere Welt oder eine Schachtel Nougat-Pralinen anbietet.
Ich weiß nämlich Bescheid.
Wo so was hinführt.

****Tatsächlich war es meine eigene Dummheit deutsche Nachrichten zu lesen, die mir diesen extremst sonderbaren Zustand beschert hat. Denn offensichtlich haben sich die deutschen Medien nunmehr endgültig entschlossen, fortan anstelle von Meldungen, die den Bürger nur unnötig erschrecken, zuckersüße Märchen zu verbreiten.
NoXxLynXx - 8. Aug, 19:19