I Herz myself & Pörpel Ruus

Ich hasse Zahnärzte.
Na gut.
Das ist eine Plattitüde.
Denn mal ehrlich.
Wer nicht.
Hab im ganzen Leben überhaupt nur eine gekannt, die Zahnärzte mochte. Ok. Einen. Den hat sie geheiratet. Ging nicht gut aus. Hätte ich ihr vorher sagen können. Ist übrigens mein Vetter, der Zahnarzt.
Übler Bursche.
Hat ein Balg in die Welt gesetzt, das schon als Kleinkind irgendwas von einem Colgate-Werwolf an sich hatte. Kann mich noch gut erinnern, wie er als Fünfjähriger über die Silber-Hochzeits-Tafel einer Tante kroch und die Füllung aus allen Champignons raus fraß. Was Schrägeres sieht man selten, das kann ich Ihnen versichern. Meine Tante hatte übrigens einen Nervenzusammenbruch während Butzi- Bubi (alle 86 Zähne gefletscht) nach dem letzten intakten Pilz schrillte.
Zurück zum Zahnarzt.
Da musste ich heute hin. Und ich kann ihnen sagen, dabei fühle ich mich immer stinkunwohl und irgendwie kleiner. Einmal war ich ganz mutig und hab einen gebissen. Nicht aus Versehen. Zu dem gehe ich nicht mehr. Meine jetzige ist so’ne niedliche Kleine, mit einer für alle Seiten sehr förderlichen Philosophie. Will sagen, ich lungere nie länger als zwei bis drei Minuten im Wartezimmer rum, bevor sie angerast kommt, mich in den Stuhl zerrt und in einen Zustand versetzt, der mich immerhin seit gut vier Jahren befähigt ihr jedes Weihnachten aus vollem Herzen ein schönes Geschenk zu machen.
In die Praxis reinzugehen ist trotzdem immer noch furchtbar. Die Tür sieht für mich aus wie der Eingang zur Hölle und das Wartezimmer… Na ja. Reden wir nicht davon. Drei Minuten können unheimlich lang sein. Heute Mittag (ich kriege immer Termine kurz vor der Mittagspause oder spät abends, vermutlich damit meine Leiche nach der ultimativen Narkose unauffällig entsorgt werden kann) war tatsächlich mal noch ein anderes armes Opfer da.
Hatte ein kurzes schlabbriges Dings an, auf dem vorne riesengroß draufstand: I Herz (das Herz war gemalt) myself! Dazu trug sie an den Füßen, nee, bis zu den Knien, eine Art Gladiator-Sandalen aus ziemlich derben Leder.
„Du liebe Zeit“ dachte ich, und war doch tatsächlich mal abgelenkt, „Der geht’s noch schlimmer als dir. Hat vergessen ihr Nachthemd auszuziehen.“
Das Zeugs an ihren speckigen, kack-braunen Beinen konnte ich nicht einordnen. Aber ich gestehe, ich war fasziniert. Was sich sogleich als fatal rausstellte. Denn normalerweise rede ich nicht mit Leuten beim Zahnarzt. Falls ich überhaupt mal welche treffe. Reden ermuntert die meisten nur, ihre Grauen erregenden Leiden auszubreiten, was meinem feigen Flucht-Instinkt meist gar nicht gut tut. (Bei der Schilderung einer vereiterten Wurzel wollte ich mal aus dem Fenster hupfen, war neben mir, offen und ebenerdig, das zu meiner Verteidigung)
Na, jedenfalls sagte die hier – irgendwie zu Recht, ich hab sie ja die ganze Zeit angestarrt – mit leicht gekwetschter Stimmer: „Schördinäter!“ Wie gesagt, ich hatte sie angegafft, ich war ihr was schuldig, also murmelte ich mitleidig: “Wie unangenehm!“ Woraufhin sie mich wutentbrannt anglotzte, den Kopf drehte und: „Pörpel Ruus!“ schrie.
Ich glaube, ich hatte einen Aussetzer. Hab noch gegrübelt ob mein Gehirn vor lauter Angst eine sinnlose Halluzination produziert hat, als aus der Bällchen-Kiste direkt neben mir, der ich bis dato keinen Blick gegönnt hatte, ein ungemein schweins- backiger, hasenzähniger Kopf ohne Kinn auftauchte.
Hat mir einen mächtigen Schreck versetzt. Bin leise kwiekend nach hinten getaumelt.
Direkt in die Arme meiner kleinen Zahnärztin.
Die – diplomatisch wie immer – dem Nachthemd-Monster versicherte mit Purple Roses (zwei) Zähnen sei soweit alles in Ordnung und sie werde den Link* sicher bald nutzen (Vielen Dank, meine Liebe! Ein ganz reizender Einfall!) und sich auch ein Berufs-likes** Shirt anfertigen lassen. Und sie wüsste auch schon was sie draufdrucken lassen wollte. Was richtig Nettes! Dann musterte sie mich hämisch und flüsterte mir ins Ohr: „Wir bohren Sie in Grund und Boden!“
Das mit dem Geschenk überlege ich mir noch mal.

Soweit es mich betrifft, gibt’s an dem kinnlosen Kwarktaschen-Gesicht von Purple Rose nicht mehr auszusetzen als an der Feldmaus-Figur von Attila, dem rundbrilligen Enkel meines Nachbarn.
*Ich empfehle dem Laden ein Buch mit den individuellen, supi-lustigen und poetisch wertvollen Sprüchen ihrer Kunden rauszugeben, wird bestimmt ein Renner.
**Ich überlege immer noch, auf welche Art von Beruf „I ♥ myself" wohl hinweisen mag. Bin mir ziemlich sicher, das sollte kein Witz sein. Mir war übrigens auch nicht zum Lachen.
NoXxLynXx - 10. Aug, 19:19