Die kostenfreie Lausemädchen-Masche
Neulich erzählte mir eine eher flüchtige Bekannte, langjährige Chefin einer Städtischen Einrichtung, und alles in allem eine gestandene Frau, sie habe auf so einer Online-Flirt(hähä)-Angelegenheit (für die SIE bezahlt, wie traurig ist das denn) einen Typ kennengelernt. Was ja an sich nix Besonderes ist. Soweit ich weiß, lernt Frau da täglich hunderte (schwer bedürftige Kerle) kennen, wenn ihr danach ist.
Aber der hier sei ‚anders’ gewesen.
Ein Rosenkavalier, der ihr angeblich eigenhändig hergestellte Geschenke machte, täglich längere Nachrichten sandte (die nur ganz entfernt schweinisch waren), ja, sie habe tatsächlich mal von einem Mitglied seiner Familie eine SMS bekommen, wie froh (dieses Mitglied) sei, dass der Ärmste nach so langer Einsamkeit endlich eine wirklich ‚tolle Frau’ kennengelernt habe.
Noch während sie schwafelte, überkam mich ein sonderbares Gefühl.
„Ich kann hellsehen, alle Wetter!“ dachte ich ebenso erstaunt wie erfreut, denn so ab dem dritten Satz wusste ich zuverlässig, was sie gleich sagen würde. Tatsächlich muss ich einen Satz laut vollendet haben, denn sie verstummte urplötzlich und fragte – nach einem misstrauischen Schweige-Minütchen, das mir entgangen war, denn ich beklatschte innerlich meine neue Fähigkeit – erbost, was das solle!
Leicht abgelenkt erwiderte ich:“Wwwas?“, woraufhin sie mir ein lautes, überdeutliches: „Bbblöde Kuh“, ins Ohr schmetterte. Platsch, war ich auf dem unschönen Boden der Realität zurück. Denn eins wollen wir doch mal klarstellen: Auch wenn ich stottere, was mich nicht im Mindesten stört, empfehle ich jedem dringend, mich - nicht mal als mageres Witzchen - nachäffen zu wollen. Doch das, wie immer, nur nebenbei.
Ernsthaft erzürnt, erzählte ich ihr den traurigen Anfang, beziehungsweise das traurige Ende ihrer Love-Story:
Ihr neuer, so ‚anderer’ Typ hat sie auf ihrer Bezahl-Seite solange heimgesucht, bis SIE auf seine (nicht bezahlte, klar, Geiz ist eben auch geil) Seite gegangen ist, um ihn sich mal anzuschauen. Man soll’s ja nicht glauben, aber seine Erläuterungen (…so was wie hier ist ja total nicht mein Ding, aber ich habe zufällig deine Seite/Foto gesehen und konnte gar nicht anders, obwohl ich, wie gesagt… blablabla) fanden Gefallen!
Ja. Echt jetzt. Und was stand da wohl auf ihrer Seite? Na? Klar. Frau um die Vierzig, eben getrennt. Drum stark gefrustet! Nee, das stand da nicht, aber das kann sich selbst der beschränkteste Armleuchter ausrechnen. Jedenfalls konnte er ihr angegebenes Alter ABSOLUT nicht glauben. Oder hat sie gar ein zehn Jahre altes Foto eingestellt?
Kleine Zwischenbemerkung: Auch bei den besten von uns macht der Verstand hie und da Urlaub.
Weiter im Text: Nach einer kurzen, beinahe Stalker-haften Nachrichten-Flut (deren Texte sie, wenn sie ihr Gehirn mal eine Sekunde eingeschaltet hätte, auf so hilfreichen Seiten wie: ‚Kostenlose SMS- und Chat-Anmach-Sprüche für ältere Frauen’ ohne Schwierigkeit gefunden hätte) und noch einer Ladung der vorerwähnten Fake-Billig-Geschenke, drängte der Galan dezent doch unaufhörlich auf ein Treffen.
Dem sie nach kurzem Zögern zustimmte. Woraufhin sich ihr der Rosenkavalier - der sich als entschieden kleiner und hässlicher als auf seinem Foto und nach seiner Selbstbeschreibung entpuppte - auf einem öffentlichen Parkplatz, mitten am Tag völlig hemmungslos an den Hals warf und nunmehr keinerlei Probleme mehr hatte, ihr seine Wünsche (Gehn wir zu dir?) mitzuteilen. Wobei er ihr unaufhörlich versicherte, wie hin und weg er von ihr sei. Dass sie keinen Tag älter als 30 aussähe und ihr Foto ihr nicht annähernd gerecht würde. Und er sich total in sie verliebt hätte.
Aber sicher doch.
Immerhin. Soviel Dummbatzerei hat sie dann doch irgendwie umgehauen. Und ich will mal der Gerechtigkeit halber sagen, dass ich ihr das unrühmliche aber kurze Dahinscheiden dieser ...äh... Romanze voll abgekauft habe, dass nämlich dem Bürschchen in dem Moment auch seine schleimigen Liebes-Absonderungen aus dem kleinen Taschenbuch für besonders armselige Aufreißerlis nix mehr genutzt haben.
Sie ist eine höfliche Dame. Also hat sie ihm nicht (obwohl ihr danach war) eins aufs Maul gehauen, sondern ist noch auf einen Kaffee mitgegangen. Was sie ziemlich bedauert hat, nicht nur, weil sie den selbst bezahlen musste. Nein, ihr war während der ganzen Zeit: „Irgendwie gruselig“.
Was jedoch nicht erklärte, woher ICH das alles wusste.
Als wir noch eine Weile rätselten, fiel’s mir plötzlich wie Marmelade aufs Brot. Ich hatte das schon mal gehört! Nein! Tatsächlich hatte ich fast denselben Scheiß schon zweimal gehört.
Ein kurzer Vergleich der rudimentären Daten und – ja – es war derselbe. Der vermutlich jeden Tag auf dieser und ähnlichen Seiten die Kachelmannsche Lausemädchen-Masche* abzieht. Mit immer denselben Texten, gefakten Geschenken und kopierten Sprüchen. Frei nach dem Motto: Masse bringt’s.
Das hat sie nicht eben froh gemacht, darf ich mal sagen. Tatsächlich hat sie irgendwas gemurmelt, was gar nicht gut klang. Für das Bürschchen.
Aber was schert das mich?
Ich kann nicht hellsehen.
Wie blöde!
*Allerdings ist der hier nur halb so groß und nicht breiter als ein Kachelmannsches Bein. Na gut. Sein IQ hat vielleicht dessen Sockengröße. Seine (jährlichen) monetären Mittel dürften dagegen nicht mal den täglichen Hosentaschen-Inhalt des rührigen Herrn K. erreichen.
NoXxLynXx - 9. Aug, 19:19